Beruflicher und privater Stress sind die Hauptursachen für Schlafstörungen. Eine Untersuchung der Techniker Krankenkasse zeigte, dass 52% der Menschen mit Stressbelastung an Schlafstörungen leiden. Der schlechte Schlaf wiederum erhöht die Stressbelastung durch eingeschränkte Leistungsfähigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und körperliche Müdigkeit. Der Kreislauf von Stress und gestörtem Schlaf verstärkt sich so immer wieder auf Neue.
Wird dieser Kreislauf nicht unterbrochen, gesellt sich häufig die Angst hinzu, wieder nicht schlafen zu können. Die Schlafstörung verselbstständigt sich und wird chronisch. Das bedeutet, die Schlafstörung bleibt bestehen, auch wenn die Stressbelastungen des Tages durch geeignete Maßnahmen geringer wurden.
Was ist Stress überhaupt? Ist Stress grundsätzlich negativ zu bewerten?
Jeder Schaffensprozess ist mit Stress verbunden, da Neues zu schaffen fast immer bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen. Wird eine herausfordernde Aufgabe gemeistert, kann durch die Gewissheit, etwas geschafft zu haben, ein Glücksmoment entstehen, das motiviert und stärkt. Andererseits sind heute Termindruck, Existenzängste, Mobbing, Mehrfachbelastungen – vor allem für Frauen – und Perfektionszwang reale Stressoren, die keine Glücksmomente erzeugen, sondern Stressreaktionen auslösen.
Dabei hat die Natur uns nicht deshalb mit Stressreaktionen ausgestattet, um uns zu schaden, sondern um unsere Überlebenschancen zu verbessern. Kurzfristige Reaktionen, die beim nahenden Säbelzahntiger lebensrettend waren, laufen heute ins Leere, da Flucht oder Kampf keine Optionen bei Existenzangst oder Konflikten mit Mitmenschen sind. Sport und Bewegung wären allerdings auch heute noch hilfreich beim Abbau der Stresshormone.
Stress hat also viele Gesichter und wirkt nicht nur über die Empfindung der objektiven äußeren Stressoren, sondern auch über deren Bewertung und die selbsterzeugten Stressoren im Kopf. Die Fähigkeit des Organismus mit Stress umzugehen, erschöpft sich mit anhaltender Belastung. Der hormonelle Regelkreis der Glukokortikoide und die Balance der für Stimmung und die zirkadiane Rhythmik zuständigen Neurotransmitter werden gestört.
Hormone und Neurotransmitter spielen auch eine wichtige Rolle im Beziehungsgeflecht Stress und Schlaf.
Die Rolle der Hormone und Neurotransmitter
Das Kortisol, das eigentlich ein Stress-Schutzhormon ist, ist auch ein Bindeglied zwischen Stressbelastung und Schlafqualität. Am frühen Morgen beginnt die Nebennierenrinde, dem zirkadianen Rhythmus folgend, mit der Kortisolproduktion. Das Kortisol sorgt dafür, dass Glukose frei gesetzt wird, Blutzuckerspiegel und Blutdruck steigen an. Der Körper schaltet auf Aktivität um. In der Früh ist also ein hoher Kortisolspiegel notwendig, um aktiv in den Tag zu starten. Problematisch ist nur ein zu viel an Kortisol zur falschen Zeit und hier kommt der Stress ins Spiel.
Anhaltender Stress am Tage führt zu einer kaskadenartigen Ausschüttung von Stress-Botenstoffen, deren Abschluss das Kortisol bildet. Das führt zu erhöhten Kortisolspiegeln bis in den Abend hinein, was sich durch ein Kortisolprofil gut darstellen lässt.

Verstärkend hinzu kommt häufig die Nutzung von Blaulicht emittierenden elektronischen Geräten, die die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin behindern. Ein weiterer Faktor, der die Melatoninproduktion einschränkt, ist ein Mangel an Serotonin. Dieses „Wohlfühlhormon“ hat nicht nur Auswirkungen auf die Stimmungslage, es ist auch die Vorstufe des Melatonins.
Bei mangelnder Bewegung, zu wenig Tageslicht am Morgen und Defiziten wichtiger Mikronährstoffe kommt die Serotoninbildung aus der Vorstufe L-Tryptophan, einer essenziellen Aminosäure, nicht ausreichend in Gang.
So schließt sich der Kreis: Anspannung, Unruhe und ein stressbedingt zu hoher Kortisolspiegel am Abend verbinden sich mit einer zu geringen Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin und vertreiben den erholsamen Schlaf.
In dieser Situation ist der Griff nach einem Schlafmittel verführerisch, verspricht es doch, endlich mal wieder gut zu schlafen. Damit wird aber das zugrundeliegende Problem der Stressbelastung nicht gelöst. Hinzu kommt, dass viele Schlafmittel die Schlafarchitektur verändern. Der Schlaf scheint dann zwar quantitativ ausreichend zu sein, unzureichende Tiefschlafphasen vermindern jedoch die Regeneration im Schlaf. Diese Regeneration wird aber gerade in Zeiten der Belastung dringend benötigt.
Kann ich diesen Kreislauf durchbrechen?
Ausgehend von der Erkenntnis: Der Tag macht die Nacht und umgekehrt, reicht es nicht, nur den gestörten Schlaf in den Fokus zu nehmen. Die Vorbereitung des erholsamen Schlafes beginnt bereits am Tag mit einem guten Stressmanagement und einer Überprüfung des Lebensstils. Hilfreich ist, zu Beginn ein Profil zu erstellen, das die relevanten Stresshormone und Neurotransmitter und Ihren Mikronährstoffstatus erfasst. Die Analyse des vegetativen Nervensystems (VNS) mit Messung der Herzratenvariabilität (HRV) ist ein Frühindikator für die Regulationsfähigkeit der Organsysteme und zeigt das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus.
Ihre nächsten Schritte können dann sein:
- Nehmen Sie die Stresssignale Ihres Körpers bewusst wahr
- Machen Sie sich die Situationen, die Stress auslösen bewusst. Versuchen Sie, diese Situationen zu reduzieren, Ihre eigenen Einstellungen dazu zu verändern oder suchen Sie neue Lösungsstrategien, auch mit Hilfe eines Coachings.
- Finden Sie Ihren individuellen Weg, den Stressbelastungen entgegenzuwirken, zum Beispiel mit Entspannungsverfahren oder einem Bewegungsprogramm. Sport und Schlaf sind ein absolutes Dream-Team.
- Achten Sie gerade in der dunklen Jahreszeit darauf, genügend Licht in der ersten Tageshälfte aufzunehmen, um den zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmus zu stabilisieren. Um zirkadian wirksam zu werden, ist eine Lichtstärke von mindestens 2.500 Lux erforderlich. Die Bürobeleuchtung liegt gewöhnlich deutlich unter 1.000 Lux.
- Nutzen Sie mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen kein elektronisches Gerät, das Blaulicht emittiert.
- Versuchen Sie, den Konsum von News über verschiedene Medien zu reduzieren. Die redundanten Breaking News bringen Ihnen keinen Erkenntnisgewinn, absorbieren Zeit und aktivieren den Sympathikus. Zur Entspannung und im Schlaf sollte jedoch der Entspannungsnerv Parasympathikus stark sein.
- Schaffen Sie eine bewusste Pause zwischen den Aktivitäten des Tages und Ihrer Zubettgeh-Routine. Gute Routinen vor dem Schlafengehen sind zum Beispiel das Schreiben einer To-Do-Liste für den nächsten Tag, ein Tagebuch zu führen, ein lauwarmes Bad oder eine Tasse beruhigender Kräutertee. Wichtig ist jedoch, die Routine zu finden, die zu Ihnen passt und die Sie für eine längere Zeit durchführen wollen.
- Ihr Schlafzimmer sollte ein Ort der Ruhe und des Wohlbefindens sein. Widmen Sie der Ausstattung Ihres Schlafzimmers deshalb mindestens ebenso viel Sorgfalt wie Ihrem Wohnzimmer.
Machen Sie den Schlaf wieder zu Ihrem Verbündeten, und befreien Sie sich aus dem Teufelskreis aus Stressbelastung und gestörtem Schlaf. Nach einer erholsamen Nacht sind Sie am Tage wacher, entspannter und in gehobenerer Stimmung, um den Stress besser zu managen. Guter Schlaf ist zudem auch ein Genussfaktor und noch dazu einer ohne negative Nebenwirkungen.