Warum häufen sich Erschöpfungszustände und Burnout zunehmend?
Die Ursachen von Erschöpfungszuständen und Burnout sind komplex und liegen teils in Umgebungsfaktoren begründet, teils im Individuum.
Auch wir als Individuum sind komplex. Unser Körper ist hoch komplex und keine Maschine, zu der es eine Bedienungsanleitung gibt, mit der wir dann alles wieder schnell reparieren können.
Die gute Nachricht ist: Grundsätzlich ist jeder menschliche Körper für den Umgang mit Stresssituationen bestens ausgestattet. Wäre dem nicht so, gäbe es uns als Art schlicht nicht mehr. Hätten unsere steinzeitlichen Vorfahren keine Strategien entwickelt, um sich ihren Feinden den Säbelzahntigern und anderen gegenüber zu behaupten, hätten sie schnell den kürzeren gezogen. Stellen Sie sich einmal vor, unsere Vorfahren wären beim Anblick eines Säbelzahntigers völlig ruhig und entspannt, neugierig zugewandt gewesen…
Wenn wir seit der Steinzeit darauf programmiert und dafür ausgestattet sind, mit dem Säbelzahntiger, sprich mit Stresssituationen, umgehen zu können, warum wird es dann heute für unsere Gesundheit bei Stress häufig brenzlig? Warum sind Erschöpfungszustände und Burnout überhaupt Thema? Sind wir alle verweichlicht?
Die physiologische Antwort finden wir, wenn wir uns den Ablauf der gesunden Stressreaktion anschauen:
Alarm-, Handlungs- und Regenerationsphase
Die steinzeitlich vorgesehene Stressreaktion verläuft in drei Phasen (nach Hans Selye 1936).
1. In der Alarmphase sehen wir uns Auge in Auge mit dem Säbelzahntiger. Unser vegetatives Nervensystem setzt uns in Alarmbereitschaft. Wir sind bereit für Angriff oder Flucht. Die Stresshormone Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet.
2. In der Handlungsphase oder Widerstandsphase treten wir in Aktion. Wir stellen uns der Gefahr und kämpfen um unser Leben oder wir ergreifen die Flucht. Die aufgestaute Energie und Anspannung wird abgebaut, Stresshormone machen ihre Arbeit und bauen sich dann ab.
3. In der Regenerationsphase sammeln wir Energie für die nächste Herausforderung. Wir sitzen mit unseren Stammesgenossen vor der Höhle am Feuer, erzählen uns gegenseitig die Erlebnisse des Tages, spielen vielleicht ein wenig mit den Kindern, haben Sex, bemalen die Höhlenwand, essen gehaltvoll und nährstoffreich und schlafen erholsam und ausreichend.

Na, dämmert es Ihnen? Wenn Sie Ihren aktuellen Alltag vor Ihrem inneren Auge durchlaufen lassen, gleichen Sie ihn doch mal ab mit unserem Steinzeitalltag:
Vielleicht sieht Ihr Alltag momentan durch Corona-bedingte Home-Office-Tage recht eintönig aus? Aus dem Bett an den Esstisch zum Laptop und abends auf’s Sofa…eine Trennung von Arbeitsplatz und Wohnen findet häufig nicht statt. Konflikte mit anderen Familienmitgliedern, die ebenfalls von zu Hause arbeiten, sind oft vorprogrammiert.
Oder Sie fahren doch noch täglich ins Büro und kennen folgendes Szenario: Stau auf dem Arbeitsweg und hupende andere Autofahrer. Eins bleibt: gestresste Kollegen, die in der gleichen Situation stecken wie Sie, Meeting nach Meeting im Sitzen, noch zehn kurzfristige Calls mit „ganz dringenden“ to dos bis heute Abend, personeller Notstand, an Pause nicht zu denken, zwischendurch irgendwas essen, Hauptsache es macht satt, abends Frust, weil keine Zeit für die Familie bleibt, zu spät ins Bett, weil noch eine TelKo reinkommt, weil Sie danach nicht abschalten können zur Ablenkung noch ein wenig auf dem Handy daddeln, an erholsamen Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken und am nächsten Morgen geht alles wieder von vorn los.
Das ist keine artgerechte Haltung!
Wir sind nicht gemacht für acht Stunden oder mehr tägliches Sitzen, für vitamin- und mineralstoffarme industriell verarbeitete Nahrung, für Dauerstress, für Ellbogenmentalität und Dauerwettbewerb. Sondern für einen bewegungsreichen Alltag, für frische, nährstoffreiche Ernährung und für einen Wechsel aus Anspannung und Entspannung. Für geselliges Miteinander und Kooperation.
Wir hängen in unseren westlichen Industrienationen heute allzu häufig in der Alarmphase der Stressreaktion fest. Gönnen uns zu selten Regenerationsphasen. Wenn der Jahresurlaub zum einzigen Lichtblick im stressigen und unzufrieden machenden Alltag ist, läuft ganz gewaltig etwas schief!
Häufig kommen wir nicht einmal in die Handlungsphase. Das heißt wir hängen in der Daueralarmphase fest. Adrenalin und Cortisol werden weiter großzügig produziert und nicht abgebaut. Wenn das zum Dauerzustand wird, sind gesundheitliche Beschwerden vorprogrammiert.
Unser Körper und unser Geist brauchen Regenerationsphasen, um wieder voll leistungsfähig zu sein! Jeder Profisportler weiß das und berücksichtigt dieses Gesetz der Natur bei seiner Trainingsplanung. Nehmen Sie sich ein Beispiel! Schließlich wollen Sie die nächsten Jahre auch noch ganz vorne mitspielen und nicht als Langzeitkranker auf der Ersatzbank landen, oder?

Was tut Ihnen gut? Welche Regenerationsmöglichkeiten haben sich für Sie in der Vergangenheit bewährt?
Es muss nicht gleich ein Wellness-Wochenende sein. Es reichen oft schon kleine Gesten im Alltag: ein Entspannungsbad, ein gutes Buch lesen auf der Lieblingsbank mit schönem Ausblick, ein gutes Gespräch mit einem Freund, die Joggingrunde mit der Partnerin. Oder auch das Gefühl, endlich etwas sinnvolles zu tun: gärtnern, ein Ehrenamt, handwerklich aktiv werden, um reelle Resultate zu sehen.
Suchen Sie sich doch etwas aus und gönnen Sie sich Ihre kleine Auszeit. Denn Sie kennen sicher die Faustformel:
SUCCESS = WORK + REST